Workshop: Neue Entwicklungen in China und den internationalen Beziehungen – und Strategien der Linken

7.-8. Mai 2022, Humboldt-Universität zu Berlin

Wir werden in dem zweitägigen Workshop drei Themenblöcke behandeln:

1) die Verhältnisse in China und die Politik der KPCh im Bereich Ökonomie, Arbeit, Kultur, Umwelt und Klima

2) internationale ökonomische und politische Entwicklungen und die Entwicklung Chinas zur Weltmacht (Belt-and-road-Initiative, Tendenzen der Deglobalisierung und regionalen Blockbildung, Chinas Position in den internationalen Finanzbeziehungen, Chinas Rolle im Krieg Russlands gegen die Ukraine)

3) Diskurse in und über China (antiasiatischer Rassismus, Han-Chauvinismus, kulturalistische Selbst- und Fremdzuschreibungen etc.)

Folgende übergeordnete Fragen sind unseres Erachtens für die Diskussion relevant:

1) Wie schätzen wir die Entwicklung Chinas und die Politik der KPCh ein?

  • Wie sozialistisch ist China?
  • Bietet die Struktur des chinesischen Staates trotz kapitalistischer Produktionsverhältnisse bessere Möglichkeiten zur Bearbeitung sozialer und ökologischer Probleme als in den Ländern des „Westens“? Oder muss diese Form autoritärer Staatlichkeit einer besonderen Kritik unterzogen werden?
  • Eröffnet die Politik der KPCh Spielräume für andere „Entwicklungsländer“, um ihre Abhängigkeit von den alten kapitalistischen Zentren zu reduzieren? Oder verwandelt sie China in eine weitere imperialistische Macht?

2) Welche neuen Entwicklungen sind in China und seinen internationalen Beziehungen beobachtbar?

  • Welche Auswirkungen haben die Corona-Pandemie, die Beschleunigung des Klimawandels, der globale Aufstieg autoritärer Regime sowie der Krieg in der Ukraine?

3) Was sind neuralgische Themen, die uns in der Debatte zu China gleichsam aufgezwungen werden?

  • Die Diskussion über Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang ist ein Beispiel dafür, dass es Themen gibt, bei denen sich eine Positionierung nicht vermeiden lässt. Ein weiteres neuralgisches Thema ist das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerungen Tibets, Hong Kongs sowie Taiwans. 

Der Workshop dient zum einen der gemeinsamen Formulierung von Fragestellungen zu gesellschaftlichen Entwicklungen, zum anderen wollen wir darauf aufbauend über politische Positionen und internationalistische Handlungsmöglichkeiten sprechen. Wie wir bereits in den früheren Gesprächen deutlich gemacht haben, geht es uns darum, in emanzipatorischer Perspektive sowohl die Vorurteile im „Westen“ gegenüber China als auch die Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse sowie die Naturzerstörung in China zu kritisieren. Wir wenden uns dabei gegen Schwarz-Weiß-Bilder, die im Zuge der wachsenden kapitalistischen Konkurrenz auf dem Weltmarkt leider um sich greifen und an Bedeutung gewinnen.

Am ersten Tag steht im Zentrum, die tektonischen Verschiebungen und Umbrüche zu diskutieren, die im Zuge einschneidenden Krisen – Beschleunigung des Klimawandels, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg – beobachtet werden können. Dazu wenden wir uns in zwei Diskussionsblöcken zunächst einzelnen Aspekten der Entwicklung Chinas, der Politik der KPCh und der Rolle Chinas in der Welt zu und diskutieren, welche Umbrüche hier in jüngster Zeit zu beobachten sind. In einem dritten Block diskutieren wir, welches Gesamtbild sich ergibt und in wie weit diese Umbrüche unsere politische Positionierung beeinflusst.

Am zweiten Tag des Workshops wollen wir uns über Möglichkeiten und Strategien der Intervention in verschiedenen Handlungsfeldern (in politischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, Bildungs- und Forschungseinrichtungen) verständigen.

In diesem Zusammenhang stellen sich etwa folgende Fragen:

  • Wie und wo können und sollten Entwicklungen in China und in den internationalen Beziehungen analysiert, diskutiert und kommentiert werden?
  • Mit welchen Theorien und Begriffen analysieren und diskutieren wir gesellschaftliche Entwicklungen?
  • Was unterscheidet einen linken, emanzipatorischen Blick auf China von einer bürgerlichen, liberal orientierten Perspektive einerseits und von einer unkritischen Parteinahme für die Politik der KPCh andererseits?
  • Wie kann eine solidarische Auseinandersetzung über kontroversen Positionen innerhalb der deutschsprachigen Linken geführt und in der bürgerlichen Öffentlichkeit artikuliert werden?
  • Wie vermeiden wir unterschiedliche Standards bei der Beurteilung von Entwicklungen in verschiedenen Ländern?
  • Was müsste internationalistische Arbeit zu China in Deutschland gegenwärtig leisten? Was wären Inhalte und Adressaten?
  • Was ist für uns zu tun? Welche Projekte können wir verfolgen?

Programm

Samstag, 7. Mai

12.00-13.00 Uhr: Brownbag Lunch mit Vorstellungsrunde (Moderation: Uwe Hoering)

13.00-15.00 Uhr: Block I: Verhältnisse in China

  • Gesellschaftsformation – Klassen und Herrschaftsverhältnisse (Felix Wemheuer)
  • Demographische und biopolitische Entwicklung (Christa Wichterich)
  • Produktion und Arbeitswelt (Daniel Fuchs)
  • Umwelt- und Klimapolitik (Merle Groneweg)
  • Moderation: Jenny Simon

15.00-15.30 Uhr: Pause

15.30-17.30 Uhr: Block II: China in der Welt

  • Die Belt and Road Initiative (Uwe Hoering)
  • Deglobalisierung und regionale Blockbildung (Philipp Köncke)
  • Internationale Finanzbeziehungen (Jenny Simon)
  • Moderation: Thomas Sablowski

17.30-17.45 Uhr: Pause

17.45-19.00 Uhr: Block III: Zeitenwende / Bruchlinien in der Analyse und Positionierung zu China

Offene Diskussion zur Leitfrage:

  • Wie haben sich die Verhältnisse in China im Zuge der jüngsten Krisen gewandelt?
  • Welche Auswirkungen hat das auf unsere politische Positionierung?

Moderation: Wolfram Schaffer & Philipp Köncke

Sonntag, 8. Mai

9.30-11.00 Uhr: Block IV: Wahrnehmung Chinas / Postkoloniale Perspektiven

  • Der Menschenrechtsdiskurs in China und im Westen (Leonie Schiffauer)
  • Antichinesischer Rassismus (Kimiko Suda)
  • Postkoloniale Diskurse als Herrschaftsdiskurse in Asien (Wolfram Schaffar)
  • Moderation: Daniel Fuchs